Gestern Morgen haben wir von der Marina Sant’Elmo in Alghero abgelegt. Die Sonne schien hell und das Wasser glitzerte verlockend. Nach einem kurzen Stopp an der Tankstelle, um unsere Vorräte aufzufüllen, verließen wir gegen 11 Uhr den Hafen. Die „Joy and Freedom“ fühlte sich lebendig an, als wir in die offene See steuerten.
Die erste Stunde war einfach traumhaft. Der Wind blies sanft in die Segel, und wir glitten geschmeidig über die Wellen. Es war ein Gefühl von Freiheit, das uns alle erfüllte. Doch bald bemerkten wir, dass die Wettervorhersagen sich bestätigten und der Wind stärker wurde. Wir müssen eigentlich nach Norden, doch der aufkommende Mistral wird uns einen Strich durch die Rechnung machen.
Wir nutzen die noch wenige Zeit um die Isola Foradada zu umrunden. Dieser touristische Hotspot wird täglich von vielen Ausflugsbooten von Alghero aus angefahren.
Da der Wind nun zunahm, entschieden wir uns, in die Bucht von Porto Conte zu segeln, um Schutz zu suchen. Wir ankerten in fünf Metern Wassertiefe, doch der Wind frischte weiter auf. Mit 25 Knoten zerrte er an unserer Ankerkette, und ich spürte ein mulmiges Gefühl in der Magengegend. Plötzlich begann der Anker zu slippen, und wir trieben langsam auf die Marina zu.
„Anker auf!“ war nun die nächste Aktion, und wir arbeiteten schnell zusammen, um die Situation zu meistern. Wir beschlossen, an einer der freien Bojen festzumachen. Doch der Wind blies unbarmherzig. Während wir mit vereinten Kräften die Boje am Heck aufnahmen und uns mühsam nach vorne verholten, setzte nun auch noch ein kräftiger Regenschauer ein, der die Sicht trübte. Es war ein Wettlauf gegen die Elemente, und jeder Handgriff musste sitzen.
Der Wind war weiterhin kräftig, aber unter Kontrolle, und wir fühlten uns sicher in unserer Position an der Boje. Das Wetter war wechselhaft, und die Aussichten für die kommenden Stunden verhießen keinen großen Unterschied. Dennoch hatten wir die Situation im Griff und waren zuversichtlich, dass der weitere Abend ruhig verlaufen würde. Doch der Schein trog, als wir kurze Zeit später eine Jacht in unserer Nähe entdeckten, die in offensichtliche Schwierigkeiten geraten war.
Die Jacht, etwa 200 Meter von uns entfernt, hatte ein flatterndes Vorsegel, das auf eine lose Leine oder einen Defekt hindeutete. Ein näherer Blick durch das Fernglas bestätigte unsere Vermutung: Die Leinen des Vorsegels hatten sich offensichtlich gelöst, und der Furler – das Gerät, mit dem das Vorsegel aufgerollt wird – schien nicht mehr funktionsfähig zu sein. Es war klar, dass die Crew auf der Jacht mit einer ernsten technischen Schwierigkeit zu kämpfen hatte.
Zunächst beobachteten wir die Situation still und aufmerksam. Unser Funkgerät war auf Kanal 16 eingestellt, um mögliche Notrufe sofort wahrzunehmen. Obwohl die Jacht nicht direkt in einer Notsituation war, sah es zeitweise so aus, als ob sie auf das Land zutreiben könnte. Der Wind drückte sie immer weiter in Richtung der Küste, und es schien, als ob die Crew Schwierigkeiten hatte, die Kontrolle über das Schiff zurückzugewinnen. Wir diskutierten an Bord, ob wir in irgendeiner Weise Hilfe leisten könnten.
Nach etwa 15 Minuten bemerkten wir ein kleines Dinghi, das aus der nahen Marina auf die havarierte Jacht zusteuerte. Es erreichte die Jacht, und nach einigen Minuten der Beratung begannen die Crew und die Helfer damit, die Rollgenua abzuschlagen. Die gesamte Situation spielte sich in wenigen Minuten ab, und die stressige Situation wurde dadurch offensichtlich aufgelöst.
Das Segel war nun außer Gefahr, weiter durch den Wind zu flattern und Schaden anzurichten. Der Skipper der Jacht erlangte die Kontrolle zurück, und das Schiff wurde wieder manövrierfähig. Wir beobachteten, wie sie sicher in die Marina einfuhren, und atmeten alle erleichtert auf. Solche Situationen sind ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie schnell sich auf dem Wasser alles ändern kann – von einer scheinbar harmlosen Flaute bis zu einer potenziell gefährlichen Lage in wenigen Minuten.
Nachdem die Jacht sicher in der Marina war, kehrte bei uns an Bord wieder Ruhe ein. Doch die Wetterlage blieb angespannt. Der Wind nahm stetig zu, und die Wettervorhersagen prognostizierten für die kommenden Stunden noch stärkere Böen. Doch um Crew und Schiff nicht unnötig zu gefährden, entschieden wir uns dafür, an der Boje zu bleiben und noch einen weiteren Tag dort zu verbringen. Die Sicherheit der Besatzung hatte oberste Priorität, und es schien ratsam, den kommenden Mistral einfach abzuwarten.
Während der ersten Abendstunden, ließ der Regen nach, doch die kühlen Temperaturen und der Wind machten es ungemütlich, draußen zu bleiben. So entschieden wir uns, das Abendessen unter Deck zu genießen. Das Menü des Tages: Spaghetti Aglio e Olio mit Shrimps, begleitet von einem frischen Salat. Es war ein einfaches, aber köstliches Essen, das die Stimmung an Bord merklich verbesserte. Trotz des schlechten Wetters war die Crew zufrieden und in guter Laune. Es gibt nichts, was die Moral einer Seemannschaft so sehr hebt wie eine warme Mahlzeit nach einem Tag voller Anspannung und Herausforderungen.
Während wir das Abendessen genossen, gingen die Gespräche an Bord immer wieder zurück zu den Ereignissen des Tages. Wir diskutierten, was hätte schiefgehen können, wie die Situation vielleicht anders verlaufen wäre und was für Lehren wir daraus ziehen konnten. Jeder an Bord war sich einig, dass es wichtig ist, stets auf das Unerwartete vorbereitet zu sein und flexibel zu handeln, besonders bei wechselhaftem Wetter auf See.
Am Ende des Tages, als die Dunkelheit hereinbrach, beruhigte sich das Wetter und die Wellen schlugen sanft gegen die Bordwand, waren wir dankbar, dass wir die Situation sicher und ohne Zwischenfälle gemeistert hatten. Das Wetter soll morgen noch so bleiben, sich aber übermorgen bessern, und wir freuten uns darauf, unsere Reise bald fortsetzen zu können. Doch bis dahin würden wir die Zeit nutzen, um auszuruhen, das Schiff auf den nächsten Abschnitt vorzubereiten und die Ruhe an der Boje zu genießen.